Bei der spontanen Urtikaria handelt es sich um die häufigste Form der Nesselsucht
Madeleine Jandek 28.06.2022
Während eines Spaziergangs kommt es plötzlich zu einem brennenden Schmerz und auf einmal werden kleine rote Quaddeln auf der Haut sichtbar. Ein Blick nach unten genügt, um den Übeltäter ausfindig zu machen: Die Brennnessel. Die meisten werden wohl den brennenden Schmerz dieser Pflanze kennen. Denn bei vielen Menschen kommt es im Laufe des Lebens mindestens einmal zum typischen Hautbild einer Nesselsucht. Doch die Ursache ist nicht immer so einfach herauszufinden. Denn hinter einer Nesselsucht können viele verschiedene Auslöser stecken!
Erfahre heute mehr über die Ursachen der Nesselsucht im Gespräch mit Dr. Alice Martin, Mitgründerin von dermanostic und Hautfachärztin in Weiterbildung.
Dr. Alice Martin: Ich freue mich, dass wir heute über diesen häufigen Hautbefund sprechen. Viele Patient*innen erhalten von unseren Hautexpert*innen bei dermanostic die Diagnose “spontane Urtikaria“ und fragen sich dann natürlich, was eigentlich der Auslöser dieser Quaddel-Bildung ist. Bei der spontanen Urtikaria handelt es sich nämlich um die häufigste Form der Nesselsucht (Urtikaria). Wie der Name schon vermuten lässt, treten die Quaddeln meist sehr plötzlich auf. Eine genaue Ursache lässt sich in vielen Fällen jedoch leider nicht immer ausfindig machen. Und oft bleibt die Frage auch unbeantwortet, wieso es überhaupt zu diesem juckenden Hautbefund kommt.
Dr. Alice Martin: Typische Merkmale einer Nesselsucht sind die juckenden Quaddeln und Rötungen auf der Haut. Unter einer Quaddel versteht man eine Hautschwellung, die sich als kleine Erhabenheit auf der Haut tasten lässt. Quaddeln können teilweise sehr unterschiedlich aussehen und stark in Größe und Farbe variieren: Von weiß bis rot und von wenigen Millimetern bis zehn Zentimetern kann alles dabei sein. Am häufigsten sind jedoch eher kleinere, in Gruppen angeordnete Quaddeln, die - so schnell sie auch gekommen sind - nach zwölf Stunden in der Regel auch schon wieder verschwinden. Ein weiteres wichtiges, aber eher unschönes Merkmal einer Urtikaria ist wohl der lästige Juckreiz. Dieser wird von Betroffenen als brennend, ja sogar als fast stechend bezeichnet. Durch wiederholtes Kratzen kann der Juckreiz weiter verschlimmert werden. Bei manchen Patient*innen können außerdem in tieferen Hautschichten Schwellungen auftreten, welche man auch als Angioödeme bezeichnet. Die Rückbildung dieser Hautschwellungen kann im Gegensatz zu einer Quaddel sogar bis zu 72 Stunden dauern.
Dr. Alice Martin: Bei vielen anderen Unterformen der Nesselsucht kann oftmals ein konkreter Auslöser gefunden werden. So tritt eine lichtinduzierte Urtikaria immer bei starker Sonneneinstrahlung, und eine cholinergische Urtikaria nach starker sportlicher Betätigung auf. Bei der spontanen Urtikaria wird jedoch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren vermutet. Die Hauterscheinung muss auch nicht unmittelbar nach Kontakt des auslösenden Faktors in Erscheinung treten. Je nachdem wie lange die spontane Urtikaria bestehen bleibt, kann man sie auch in eine akute oder chronische Nesselsucht unterteilen: Von einer akuten Urtikaria spricht man, wenn sich der Hautbefund innerhalb von sechs Wochen vollständig zurückbildet. Wenn die Hautbeschwerden länger als sechs Wochen bestehen, kann eine chronisch-spontane Urtikaria in Frage kommen.
Hier darf man sich nicht verwirren lassen: Eine einzelne Quaddel besteht natürlich nicht über sechs Wochen. Quaddeln können nach zwölf Stunden bereits verschwunden sein, aber an einer anderen Stelle direkt wieder auftauchen. Eine Urtikaria kann schubweise auftreten, sodass es auch Intervalle ohne Hautbeschwerden geben kann. Die Unterteilung in eine akute oder chronische Urtikaria bezieht sich daher ausschließlich auf das vollständige Abklingen der Symptome!
Dr. Alice Martin: Wie bereits erwähnt, können viele verschiedene Faktoren zu einer spontanen Urtikaria führen. Die Liste ist lang und deshalb ist die Suche nach der Ursache teilweise ein langes Rätsel. Hierbei ist eine ausführliche Befragung der Patient*innen von besonderer Bedeutung, um die möglichen Auslöser herauszufinden. Grundsätzlich können einige Faktoren in Betracht gezogen werden: Einerseits besteht ein Zusammenhang mit akuten oder chronischen Infektionen. Vor allem bei viralen Infekten des oberen Respirationstraktes kann es gehäuft zur Quaddel-Bildung kommen. Aber auch bakterielle Infekte, beispielweise ein Harnwegsinfekt, können für eine spontane Urtikaria mitverantwortlich sein.
Außerdem können auch bestimmte Medikamente eine spontane Urtikaria verursachen. Unter besonders starkem Verdacht stehen Schmerzmittel, einige Antibiotika (z.B. Penicillin), aber auch Herz- und Bluthochdruckmittel. Aber Achtung: Patient*innen sollten niemals ein Medikament eigenständig absetzen. Wichtig ist, dass die weitere Therapie mit einem Arzt oder einer Ärztin abgesprochen wird!
Andererseits haben auch Patient*innen mit Neurodermitis (Atopisches Ekzem), Asthma oder Allergien (z.B. Heuschnupfen) ein erhöhtes Risiko, eine spontane Urtikaria zu entwickeln. Leider sind den Patient*innen nicht alle Allergien bekannt, was durch einen ständigen unbewussten Kontakt mit dem entsprechenden Allergen zu einer Verschlechterung der Haut führen kann. So gelten beispielsweise Nahrungsmittelallergien gegen Erdnuss, Weizen, Soja oder Fisch als mögliche Auslöser.
Dr. Alice Martin: Eine spannende Frage, die nicht ganz einfach mit “Ja“ beantwortet werden kann. Denn in erster Linie gilt es die auslösenden Faktoren zu meiden. Wenn die Ursache ausfindig gemacht werden konnte, sollten Betroffene bewusst auf entsprechende Nahrungsmittel verzichten, beziehungsweise in Absprache mit Ärzt*innen die Arzneimittel absetzen. So kann man der Entstehung einer Urtikaria vorbeugen.
Wenn die juckenden Quaddeln einmal da sind, können kühle Umschläge helfen. In Kombination mit juckreizstillenden Lotionen kann sich die Haut beruhigen.
Natürlich spielen auch die sogenannten juckreizlindernden Antihistaminika bei der Therapie eine zentrale Rolle. Sie heilen zwar nicht die Erkrankung, unterdrücken jedoch Botenstoffe im Körper, die für die Entstehung der Quaddeln mitverantwortlich sind. Cetirizin oder Loratadin sind beispielsweise in der Apotheke frei verkäuflich und können so in akuten Situationen eingenommen werden.
FAQ: Danke für die wichtigen Infos, Dr. Alice Martin! Wir hoffen, dass wir die wichtigsten Fragen zum Thema spontane Urtikaria beantworten konnten. Falls auch Du einen unklaren Hautbefund hast, kannst Du Dich gern an unsere Hautfachärzt*innen aus der digitalen Hautarztpraxis dermanostic per App wenden. Unser Team aus Expert*innen kann Dir bei der Diagnosefindung helfen und Dir einen ausführlichen Arztbrief erstellen.
Verfasst von Madeleine Jandek
Madeleine Jandek ist bei dermanostic im Kommunikations- und Redaktionsteam für den medizinischen Support mitverantwortlich. Sie schließt bald den klinischen Teil ihres Humanmedizinstudiums an der Universität Ulm ab und möchte im Anschluss die Facharztausbildung zur Dermatologin beginnen. Bei dermanostic schreibt sie unter anderem Artikel über alle Themen rund um Haare, Haut und Nägel.