Das passiert, wenn Du Deine Haare ausfetten lässt
Lisa Henkel 30.11.2022
Hast Du es satt, Dir ständig, wenn nicht sogar täglich, die Haare waschen zu müssen? Wenn Du zu fettigen Haaren neigst, kennst Du vermutlich das Gefühl, wenn bereits Stunden nach der letzten Dusche jegliches Volumen wieder verschwunden ist … Häufiges Waschen kostet nicht nur Zeit und Nerven, sondern kann obendrein auch noch die Kopfhaut reizen und austrocknen. Unzählige Tipps, Hausmittel & Co versprechen die Lösung. Der neuste Trend: Haare ausfetten lassen. Funktioniert das?
Fettige Haare werden oft als unangenehm, unschön oder sogar unhygienisch empfunden. Dabei steckt hinter fettigen Haaren in den meisten Fällen einfach nur Talg. Und Talg hat eine wichtige und berechtigte Funktion für unsere Haut. Talg wirkt sowohl auf Haut und Kopfhaut als Schutzmantel, gegenüber äußeren Einflüssen und ist Bestandteil der Hautflora. Die Fette des Talgs bewahren die Haut außerdem vor dem Austrocknen. Obwohl Talg also gute und wichtige Funktionen erfüllt, bedeutet dies nun aber nicht gleich, dass Du ab sofort so selten wie möglich Deine Haare waschen solltest. Sowohl zu viel als auch zu wenig Talg können ein Problem darstellen. Der Versuch, die Haare ausfetten zu lassen, kann daher auch nach hinten losgehen, wenn sich immer mehr Talg auf der ohnehin schon fettigen Kopfhaut ansammelt.
PS: Unhygienisch sind fettige Haare übrigens nicht – sofern sich neben Talg nicht auch Schmutz, Schweiß o. ä. auf der Kopfhaut angesammelt haben oder der Geruch für sich spricht …
Die einen müssen täglich die Haare waschen, die anderen nur einmal pro Woche – woran liegt das eigentlich? Zunächst musst Du wissen, dass unsere Kopfhaut individuell unterschiedlich beschaffen ist. Ähnlich wie bei unserer Haut lassen sich daher verschiedene Typen (trocken, ölig, empfindlich etc.) der Kopfhaut unterscheiden. In vielen Fällen stimmen Hauttyp und die Beschaffenheit der Kopfhaut überein. Ein öliger Hauttyp geht dementsprechend häufig mit einer öligen bzw. fettigen Kopfhaut einher. Doch warum produziert die Haut einiger Menschen mehr Fett bzw. Talg? Talg wird von den Talgdrüsen produziert, die nahezu am gesamten Körper in der Haut vorhanden sind, einschließlich der Kopfhaut. Jeder produziert Talg, der entscheidende Unterschied liegt in der Menge. Eine Unterproduktion von Talg (zu wenig) wird als Sebostase, eine Überproduktion (zu viel) als Seborrhöe bezeichnet. Die Aktivität der Talgdrüsen, sprich die Talgproduktion, unterliegt verschiedensten Einflüssen. In vielen Fällen sind unsere Hormone „Schuld“ an öliger (Kopf-)Haut und fettigen Haaren. Neben Hormonschwankungen oder Hormonstörungen können in seltenen Fällen auch (ernsthafte) Erkrankungen für eine gesteigerte Talgproduktion und fettige Haare verantwortlich sein. Doch nicht nur „innere“ Faktoren zählen bei der Entstehung fettiger Haare. Auch externe Faktoren können fettige Haare verursachen, z.B. falsche oder ungeeignete Pflegeprodukte (Shampoo etc.), Stylingprodukte oder Umweltbedingungen.
Der Hauttyp basiert auf unserer angeborenen bzw. anlagebedingten Hautbeschaffenheit. Abgesehen von möglichen vorübergehenden, meist stress- oder hormonell bedingten Hautveränderungen, bleibt der grundlegende Hauttyp in der Regel unverändert. Mit zunehmendem Alter wird die Haut aufgrund von Alterungsprozessen jedoch zunehmend trockener. Fettige Haare gehen in den meisten Fällen mit einem öligen bzw. fettigen Hauttyp einher. Dieser ist durch eine Talgproduktion gekennzeichnet. Im Gesicht zeigt sich ein öliger Hauttyp typischerweise durch grobporige und glänzende Haut und Neigung zu Unreinheiten oder Akne. Darüber hinaus bietet ölige Haut einen guten Nährboden für bestimmte Pilzarten, sodass ein höheres Risiko für pilzbedingte Hauterkrankungen besteht, z.B. ein seborrhoisches Ekzem oder eine seborrhoische Dermatitis. Ein öliger Hauttyp ist deswegen allerdings nicht gleich schlecht. Ein trockener Hauttyp geht gleichermaßen mit einer Neigung zu bestimmten Hautproblemen oder -erkrankungen einher.
Die Übeltäter unter den Hormonen sind die Androgene, die umgangssprachlich als männliche Geschlechtshormone bekannt sind – wobei sie auch bei Frauen in geringerer Konzentration vorkommen. Zu ihnen zählen einerseits das bekannte Testosteron, andererseits jedoch auch unbekanntere Vertreter wie DHEA oder Androsteron. Wie viele Hormone unser Körper produziert, ist, ebenso wie die Hautbeschaffenheit, bis zu einem gewissen Grad individuell veranlagt. Manche Menschen weisen daher von Natur aus höhere Hormonspiegel auf. Dabei sei jedoch erwähnt, dass unser Hormonsystem ausgesprochen komplex ist und fast alle Hormone miteinander in Verbindung stehen und interagieren. Auch deshalb sind Hormonschwankungen und -störungen keine Seltenheit. In der Pubertät, Schwangerschaft, Menopause oder im Menstruationszyklus sind sie ganz natürlich. Vielen Frauen wird das Phänomen bekannt sein, wenn Haut und Haare vor der Periode plötzlich fettiger als gewöhnlich sind. Doch auch Stress, Schlafmangel oder Infektionen können das Hormonsystem manchmal leichter als gedacht aus dem Gleichgewicht bringen und vorübergehend zu Haut- und Haarveränderungen, z.B. fettigen Haaren, führen. Nicht zuletzt kann auch die Anti-Baby-Pille durch ihre Wirkung auf die Hormone fettige Haare verursachen. Die Auswirkung der Pille auf Haut und Haare ist jedoch stark von der Art und Zusammensetzung der Pille abhängig, sodass die Pille nicht pauschal als Ursache anzusehen ist. Ganz im Gegenteil werden einige Pillen gezielt bei Hautproblemen (vor allem Akne) verschrieben, weil sie die Androgenproduktion reduzieren. Dadurch kann es unter Einnahme der Pille ebenso passieren, dass fettige Haare verschwinden.
Auch Pflege- und Stylingprodukte können an fettigen Haaren schuld sein. Ein möglicher Grund können schlicht und einfach die falschen Pflegeprodukte sein. Feine, dünne Haaren vertragen sich beispielsweise oft nicht mit reichhaltigen Pflegeprodukten mit Inhaltsstoffen wie Kokosöl oder Sheabutter. Auch wenn Shampoo oder Conditioner nicht vollständig ausgewaschen werden, können die Produktrückstände zu fettigen Haaren führen. Weitere Stylingprodukte, die mit dem Haaransatz und der Kopfhaut in Kontakt kommen, z.B. Hitzeschutzsprays oder Haarsprays, können ebenfalls zu Problemen führen.
Die Aktivität der Talgdrüsen ist auch von Umgebungsfaktoren abhängig. Bei hohen Temperaturen ist die Talgproduktion höher als bei niedrigen Temperaturen. Entsprechend führt auch das Tragen von Mützen, Kappen & Co. vermehrt zu fettigen Haaren.
Wie Du erfahren hast, gibt es zahlreiche Ursachen für fettige Haare. Die eigentliche Frage ist natürlich nun, was helfen kann. Leider ist die Antwort auf diese Frage teilweise unbefriedigend. Hast Du von Natur aus einen öligen Hauttyp und fettige Haare, kannst Du Deinen Hauttyp (leider) nicht ändern. Mit den geeigneten Pflegeprodukten lässt sich die Talgproduktion bis zu einem gewissen Grad reduzieren, die Hautbeschaffenheit und der Hormonstatus bleiben dadurch allerdings unbeeinflusst. Treten fettige Haare als Folge von vorübergehenden Hormonschwankungen, z.B. unter der Stress, auf, ist „einfach“ Geduld gefragt. Bei dauerhaften und/oder ausgeprägten hormonellen Beschwerden ist die Einnahme der Anti-Baby-Pille eine Behandlungsmöglichkeit. Ein alternatives Medikament für Männer und Frauen ist Isotretinoin, das klassischerweise zur Behandlung von Akne verschrieben wird. Es hemmt effektiv die Talgproduktion, geht aber mit nicht geringen Nebenwirkungen einher. Bei einzig und allein fettigen Haaren ohne begleitende Hauterkrankungen oder Beschwerden wird Isotretinoin daher aufgrund seines Risiko-Nutzen-Verhältnisses nicht eingesetzt.
Bei dem Versuch, die Haare ausfetten zu lassen, werden die Haare – obwohl sie fettig sind – erst zu einem späteren Zeitpunkt als gewöhnlich gewaschen, sprich mit größerem Zeitabstand. Dabei empfehlen manche Quellen einen genauen Zeitabstand von beispielsweise 5 Tagen, andere von gar mehreren Wochen und wieder andere verbieten auch gänzlich die Anwendung von Shampoo. Die gemeinsame Idee aller Methoden ist, die Haare an selteneres Waschen zu gewöhnen und dadurch zu erreichen, dass sich die Talgproduktion an den neuen Waschrhythmus anpasst.
Das Wichtigste vorweg: Aus dermatologischer Sicht ist eindringlich davon abzuraten, die Haare gar nicht mehr zu waschen. Es steht vielmehr zur Diskussion, ob zumindest selteneres Waschen bei fettigen Haaren helfen kann.
Eine seltenere Haarwäsche kann durchaus positive Effekte haben. Eine optimale Häufigkeit oder Rhythmus lässt sich nicht vorhersagen oder verallgemeinern. Tatsache ist jedoch, dass zumindest eine tägliche Haarwäsche nur in absoluten Ausnahmefällen notwendig ist. Zu häufiges Haarewaschen kann nämlich die Kopfhaut reizen und austrocknen. Wer zusätzlich zu einem aggressiven Shampoo greift, kann der Kopfhaut durch längere Waschpausen daher etwas Gutes tun. Angegriffene Kopfhaut hat dann die Möglichkeit, sich zu beruhigen und regenerieren. Wie bereits erklärt, hat Talg immerhin auch eine schützende Funktion und kann dabei helfen, die Hautbarriere zu reparieren. Eine gestärkte, ausgeglichene Kopfhaut kann dann wiederum (bis zu einem gewissen Grad) zu einer Verminderung der Talgproduktion beitragen. Einen Einfluss auf den Hormonstatus hat der Waschrhythmus allerdings nicht. Ist die Ursache für fettige Haare also ein hormonelles Ungleichgewicht, kann sich zwar eventuell trotzdem eine leichte Verbesserung zeigen, ist aber letztlich keine große Wirkung zu erwarten.
Nicht jede*r profitiert von dem Versuch, die Haare ausfetten zu lassen. Ganz im Gegenteil können dabei auch Probleme auftreten. Wenn sich durch die seltenere Haarwäsche nämlich Dreck, Schmutz, Schweiß oder Stylingprodukte (z.B. Haarspray) auf der Kopfhaut ansammeln, kann es zu Hautirritationen kommen. Klingt logisch – Du würdest ja auch nicht auf die Idee kommen, dauerhaft mit Make-Up ins Bett zu gehen, oder? Bei dem Selbstexperiment, die Haare ausfetten zu lassen, solltest Du dementsprechend darauf achten, dass Deine Haare so sauber wie möglich bleiben, u. a. indem Du auf den täglichen Gebrauch von Haarspray & Co. verzichtest. Das ist allerdings gar nicht so leicht, denn wer regelmäßig Sport treibt, hat es hier schon schwer. Neben Hautreizungen und -irritationen können außerdem auch Infektionen oder Ekzeme auftreten. Auf fettiger Kopfhaut fühlen sich bestimmte Pilze und Bakterien nämlich besonders wohl. Das seborrhoische Ekzem wird beispielsweise durch eine Überbesiedlung mit Hefepilzen verursacht, die sich von Talg auf der Kopfhaut ernähren. Bei typischen Anzeichen für ein Ekzem oder eine Entzündung, wie plötzlicher Juckreiz und Schuppungen der Kopfhaut, solltest Du das Experiment „Haare ausfetten“ abbrechen.
Die Methode, die Haare ausfetten zu lassen, wird gleichermaßen angepriesen und verteufelt. Nicht umsonst finden sich völlig unterschiedliche Erfahrungsberichte in den Medien. Da die Methode wenig Aufwand erfordert und leicht auszuprobieren ist, ist sie für viele – aber längst nicht jede*n – einen Versuch wert. Wenn Du feststellst, dass eine seltenere Haarwäsche Deinen Haaren nicht schadet oder bestenfalls sogar guttut, sparst Du immerhin auch an Zeit, Nerven und Wasser. Es gibt jedoch einige gute Gründe, die gegen die Methode sprechen. Vor allem, wenn Du in Vergangenheit schon einmal ein Ekzem, Ausschlag, Schuppen oder eine Infektion der Kopfhaut hattest, ist das Risiko von unerwünschten Hautreaktionen hoch. Ist die Kopfhaut einmal angegriffen, kann es bis zu Wochen dauern, bis sie sich wieder erholt hat. In diesem Fall empfehlen wir Dir stattdessen, zunächst die Ursache Deiner fettigen Haare abzuklären, sodass eine für Dich geeignete Behandlung und entsprechende Pflegeprodukte bestimmt werden können.
Verfasst von Lisa Henkel