Wie entstehen eigentlich Abszesse und warum sind manche so gefährlich?
Lisa Henkel 25.10.2022
Bei einem Abszess, auch als Eiterbeule bekannt, handelt es sich um eine kapselförmige Eiteransammlung infolge einer, meist bakteriellen, Entzündung. Ein kleiner Abszess nach der Intimrasur? Harmlos. Häufige oder regelmäßige Abszesse? Möglicherweise eine behandelbare Hauterkrankung. Ein hoch entzündeter Abszess mit Fieber? Gefährlich! Abszess ist nicht gleich Abszess.
Der Abszess ist umgangssprachlich auch als Eiterbeule bekannt – und der Name ist Programm. Von einem Abszess ist nämlich immer dann die Rede, wenn sich aufgrund einer Entzündung eine kapselförmige Eiteransammlung gebildet hat. Eiter wiederum ist die weiß-gelbliche Flüssigkeit, die den meisten aus Pickeln bekannt ist. Im Eiter befinden sich die Bakterien (seltener auch Pilze), die für die Entzündung verantwortlich sind, aber auch Immun- und weitere Zellen. Denn: Bei jeder Entzündung wird das Immunsystem und dessen Immunzellen aktiviert, um die Erreger zu bekämpfen. Der Abszess bzw. die zugrunde liegende Entzündungsreaktion kann dabei je nach Lokalisation und Ausprägung (Abszesse gibt es nicht nur unter der Haut) unterschiedlich verlaufen. Ein Abszess kann vollkommen unbemerkt entstehen und wieder verschwinden, allerdings auch mit ausgeprägter Schwellung, starkem Schmerz bis hin zu Fieber und Schüttelfrost einhergehen. Dann droht im schlimmsten Fall eine Blutvergiftung (Sepsis). Ein pulsierender oder pochender Schmerz in der Umgebung eines Abszesses ist ein charakteristisches Zeichen für die beginnende Ausbreitung der Entzündung.
Ein Abszess ist gekennzeichnet durch eine Entzündung und einen daraufhin entstehenden Hohlraum bzw. eine Kapsel, in der sich Eiter befindet. Auch ein Furunkel entsteht auf dem Boden einer eitrigen Entzündung. Der entscheidende Unterschied ist, dass es sich bei dem Furunkel um die Entzündung einer Haarwurzel handelt. Tatsächlich kann ein Furunkel jedoch auch in einen Abszess übergehen, wenn sich die Entzündung der Haarwurzel abkapselt und die charakteristische Eiterhöhle des Abszesses entsteht. Sowohl bei dem Abszess als auch dem Furunkel sind die häufigsten Verursacher der Entzündung Bakterien aus der Gruppe der Staphylokokken. Kommen wir nun zum Pickel: Der Pickel wiederum, auch als Pustel bezeichnet, ist gewissermaßen die kleine Schwester des Abszesses. Anders als der Abszess, dessen Eiteransammlung bis zu mehrere Zentimeter groß werden kann, sind Pickel kleine(re) und oberflächliche(re) Eiterbläschen. Innerhalb weniger Tage verschwinden sie in der Regel folgenlos von selbst. Der Pickel gehört ebenso wie der Furunkel zu typisch sichtbaren Hauterscheinungen. Zwar entstehen auch Abszesse häufig in oder unter der Haut, können jedoch im gesamten Körper und sogar in Organen auftreten. Ein Abszess muss dementsprechend nicht zwangsläufig von außen sichtbar sein. Ein Beispiel dafür ist ein Abszess der Leber.
Ein Abszess entsteht immer dann, wenn Erreger in den Körper gelangen und dort eine Entzündung hervorrufen. Bei den Erregern kann es sich um Bakterien, Pilze oder Parasiten handeln, wobei Bakterien die häufigsten Erreger hinter einem Abszess sind. Nur in seltenen Fällen entsteht ein Abszess ohne dass Erreger dahinterstecken. Man spricht dann von einem abakteriellen, sterilen oder auch kalten Abszess. Voraussetzung für den Eintritt von Erregern in den Körper ist eine Verletzung jeglicher Art. Auch eine nicht oder nur kaum sichtbare Verletzung, eine Mikroverletzung, kann bereits ausreichen. Solche zunächst unscheinbaren Verletzungen der Haut kommen z.B. bei der Rasur oder beim Ausdrücken eines Pickels zustande. Es gibt jedoch viele weitere mögliche Ursachen, die für die Entstehung eines Abszesses verantwortlich sein können.
Die schlechte Nachricht lautet: Abszesse können überall vorkommen (wirklich überall).
Die meisten Abszesse befinden sich in oder unter der Haut. Sie sind in der Regel von außen sichtbar und/oder tastbar. Typische Hautregionen, in denen Abszesse auftreten, sind der Kopf-, Hals- und Gesichtsbereich, der Anal- und Intimbereich und die Achseln. Doch auch an Brust und Rücken und an Armen und Beinen sind Abszesse möglich. Abgesehen davon können Abszesse auch nicht sichtbar im Körper entstehen, z.B. im Gehirn, in der Leber, in der Lunge, im Mund, … In diesem Artikel fokussieren wir uns jedoch auf die Abszesse der Haut. Glücklicherweise sind diese vergleichsweise harmlos(er). Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel, denn auch Abszesse der Haut können gefährliche Folgen haben.
Kleine und oberflächliche Abszesse der Haut können verschwinden, wenn sie selbstständig platzen und sich entleeren. Dieses abwartende Vorgehen ist jedoch grundsätzlich nur bei kleinen Abszessen eine Option. Durch Anwendung von sogenannten Zugsalben kann die „Reifung“ des Abszesses zusätzlich unterstützt werden. Allgemein gilt dennoch, dass die Eiterhöhle immer und in jedem Fall entleert werden muss, wenn sie nicht zeitnah (innerhalb weniger Tage) von selbst abheilt bzw. verschwindet. Die Entleerung eines Abszesses sollte ausschließlich von einem Arzt oder einer Ärztin erfolgen, weil bei inkorrektem Vorgehen eine Verletzungs- und Entzündungsgefahr besteht. Die wichtigste Regel lautet daher, dass Du niemals selbst an einem Abszess drücken oder manipulieren solltest.
Wichtig: Tritt – das gilt auch für kleine Abszesse – keine Spontanheilung innerhalb weniger Tage ein, ist eine ärztliche Behandlung notwendig!
Abszesse liegen tief unter der Haut und können durch bloßes Drücken, wie Du es vielleicht von Pickeln kennst, nicht eröffnet werden. Ganz im Gegenteil werden dabei Verletzungen der Haut und des darunterliegenden Gewebes verursacht. Die Gefahr, dass Dreck und Erreger, die sich in großer Zahl an Fingern und insbesondere unter den Fingernägeln befinden, in die Haut gelangen, ist sehr groß. Wenn der tief sitzende Eiter und die enthaltenen Bakterien in die Nähe von bzw. in Blutgefäße gelangen, kann es zu schweren und ernsten Entzündungen kommen. Im schlimmsten Fall kann eine Blutvergiftung (Sepsis) resultieren, die unter ärztlicher Aufsicht im Krankenhaus durch Einnahme von Antibiotika behandelt werden muss. Bei frühzeitiger und korrekter Behandlung heilen Abszesse der Haut jedoch in den meisten Fällen schnell und problemlos ab.
Grundsätzlich sollte jeder Abszess bzw. die darüberliegende Haut sauber gehalten werden, sodass keine weiteren Keime in die Haut gelangen. Gegebenenfalls ist eine regelmäßige Desinfektion sinnvoll. Kleine und oberflächliche Abszesse, bei denen eine Spontanheilung möglich erscheint, können zusätzlich mit einer Zugsalbe behandelt werden. Zugsalben werden auf die Haut aufgetragen und fördern die spontane Eröffnung des Abszesses. Die Anwendung von Zugsalben kommt jedoch nicht immer infrage und ist auch nicht immer erfolgreich.
Die standardmäßige Behandlung jedes Abszesses ist das Eröffnen und Ablassen des Eiters. Dies erfolgt ausschließlich durch eine*n Ärzt*in unter strengen Hygienemaßnahmen und mithilfe von speziellen Instrumenten. Das Ausmaß des Eingriffs ist abhängig von der Größe und Lokalisation. Bei kleinen Abszessen der Haut erfolgt die Eröffnung unkompliziert in wenigen Minuten. Durch Einsatz von betäubenden Cremes oder Sprays ist die Behandlung weitgehend schmerzlos. In bestimmten Fällen kann es sinnvoll sein, den abgeflossenen Eiter anschließend im Labor untersuchen zu lassen. So kann der ursächliche Erreger identifiziert und eine geeignete Therapie (ein geeignetes Antibiotikum) ausgewählt werden, die im Anschluss für einige Zeit fortgeführt wird.
Bei den meisten Abszessen ab einer bestimmten Größe ist eine (zusätzliche) Behandlung mit Antibiotika notwendig, um die verursachenden Bakterien zu bekämpfen. Das Antibiotikum wird jedoch niemals als alleinige Therapie verordnet, sondern immer zusätzlich zur chirurgischen Eröffnung. Die Einnahme erfolgt in Tablettenform über ca. 10 Tage. Ein typisches Antibiotikum für die Behandlung von Abszessen ist Clindamycin. Warum ist ein Antibiotikum so wichtig? Wenn Bakterien aus dem Eiter bereits in die Blutbahn gelangt sind, ist ein Antibiotikum eine bzw. die einzige Methode, um die Bakterien effektiv zu bekämpfen. So kann eine (potenziell lebensbedrohliche) Blutvergiftung verhindert werden.
Treten Abszesse gehäuft oder gar regelmäßig auf, sollte auf jeden Fall nach der Ursache untersucht werden. Dabei eignet sich bereits eine einfache Blutuntersuchung, um z.B. Erkrankungen des Immunsystems oder einen Diabetes festzustellen oder auszuschließen. Bei Verdacht auf eine zugrunde liegende Hauterkrankung sind Hautfachärzt*innen die ersten Ansprechpartner*innen.
Acne inversa, auch als Hidradenitis suppurativa bezeichnet, ist eine chronische Erkrankung der Haut, die durch Entzündung der Haarfollikel entsteht. Sie tritt vor allem bei jungen Erwachsenen auf. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Hauptmerkmal der Erkrankung sind häufige und schmerzhafte Abszesse und Knoten, in dessen Folge nicht nur ausgeprägte Narben, sondern auch Fisteln entstehen können. Die wiederkehrenden Abszesse sind maßgeblich für den hohen Leidensdruck der Betroffenen verantwortlich. Die betroffenen Hautareale bei der Acne inversa sind Regionen, die leicht Hautfalten bilden, dazu gehören: Achseln, Leisten, Bauchfalte, Brust und Genitalbereich. Bei Verdacht auf Acne inversa sollte frühzeitig ein*e Hautfachärzt*in aufgesucht werden, um die Erkrankung festzustellen. Mit einer konsequenten Therapie kann die Entstehung von Abszessen und dauerhaften Narben vermindert oder verhindert werden.
Auch bei der schwersten Form der Acne vulgaris, nämlich der Acne conglobata, treten gehäuft oder sogar dauerhaft Abszesse auf. Die Acne conglobata betrifft ebenso wie die Acne vulgaris vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Männer sind allerdings häufiger betroffen als Frauen. Merkmale der Acne conglobata sind ausgeprägte Pickel, Knoten und Entzündungen an Hautstellen mit vermehrter Talgproduktion. Dazu gehört nicht nur das Gesicht (speziell die T-Zone), sondern häufig auch Brust und Rücken. Auch in diesem Fall können die Abszesse mit ausgeprägten Schmerzen und Entzündungen einhergehen und bleibende Narben verursachen.
Verfasst von Lisa Henkel