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Chancen und Grenzen der digitalen Arzt-Patienten-Kommunikation

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Johanna Vogel 14.02.2022

Die Arzt-Patienten-Kommunikation ist die vielleicht bekannteste Form der Gesundheitskommunikation. Schon in ihrer „klassischen“ Form stellt sie die Beteiligten vor große Herausforderungen. Welche Herausforderungen das sind, wie Patientenkommunikation in digitalen Medien und über telemedizinische Anwendungen funktioniert und welche Vor- und Nachteile die digitale Kommunikation via App hat, erzählt uns Dr. med. Alice Martin, COO und Kommunikationsexpertin von dermanostic – Hautarzt per App.

Wieso ist die Arzt-Patienten-Kommunikation eine Herausforderung?

Die Herausforderung richtet sich sehr stark danach, in welchem Setting bzw. in welchem Fachbereich man sich befindet. Manche Diagnosen bedürfen einer besonders einfühlsamen Erklärung, andere Diagnosen einer sehr ausführlichen. In jedem Fachbereich sind den Patienten häufig Einzelheiten und Vorgänge unklar, sie haben Angst um ihre Gesundheit oder um ihren Körper. Das muss einem Arzt bewusst sein und er muss entsprechend reagieren.

Auch die Zeit spielt bei der Arzt-Patienten-Kommunikation eine wichtige Rolle. Häufig haben wir Ärzte nicht genug Zeit für unsere Patienten, viele wurden auch nie ausreichend in dem Bereich Kommunikation geschult. Viele Aspekte machen die Arzt-Patienten-Kommunikation daher zu einer Herausforderung. Deswegen gibt es zum Beispiel ein Buch von Yael Adler über Arzt-Patienten-Kommunikation. Da lernt man als Patient auch einmal den Arzt zu verstehen. Wobei es andersherum natürlich auch sehr wichtig ist, dass der Arzt den Patienten versteht.

Gibt es einen Tipp oder eine Faustregel, damit die Arzt-Patienten-Kommunikation gelingt?

Aus der Patienten-Perspektive: Dinge ganz offen ansprechen. Patienten und Ärzte befinden sich in einer hierarchischen Position, der Arzt ist eine Respektperson. Trotzdem ist es wichtig, dass der Patient diese Hemmschwelle überwindet und aktiv nachfragt, wenn etwas nicht verstanden wurde oder er sich unsicher fühlt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Patient ein schlechtes Gefühl hat und das vielleicht sogar auch auf die Therapie überträgt.

Der Arzt muss ebenfalls aktiv nachfragen. Das bedeutet, dass er den Patienten auch noch einmal das Besprochene wiederholen lässt und sich genug Zeit für Fragen nimmt.

Dass Ärzte häufig nicht genug Zeit haben, ist ein gesundheitspolitisches Problem. Man sollte aber wissen: Manchmal spart man nachträglich Zeit, wenn man am Anfang mehr investiert und die Umstände dadurch klarer sind.

Wie unterscheidet sich die Kommunikation einer telemedizinischen oder auch teledermatologischen Behandlung mit der normalen Behandlung vor Ort?

Eine telemedizinische Behandlung – gerade in dem Fall von dermanostic – kann vollständig asynchron, also zeitlich versetzt ablaufen. Das bedeutet, unsere Kommunikation ist größtenteils schriftlich, was Vor- und Nachteile hat. Der Vorteil ist, dass wir das Verschriftliche dauerhaft zur Verfügung haben und beliebig oft darauf zugreifen können. Der Nachteil ist, dass die zwischenmenschliche Komponente entfällt, die für die Arzt-Patienten Bindung wichtig ist.

Allerdings heißt das nicht, dass es gar keine Bindung mehr gibt. Es gibt vielmehr eine neuartige Bindung: Der Arzt wird stärker als Dienstleister wahrgenommen.

Ansonsten wird die praxis- bzw. unternehmensinterne Kommunikation immer wichtiger, denn die Kommunikation innerhalb des Mitarbeiterteams spiegelt sich in der Außenkommunikation wider.

Zudem kommen im Internet weitere kommunikative Fragen hinzu, zum Beispiel: Wie kommuniziere ich meine Marke, meine Vision? Welche Farben nutze ich in meiner App, auf den Social-Media-Kanälen oder auf meiner Webseite? Farben werden zum Beispiel mit Gefühlen assoziiert, was heißt, dass gerade bei medizinischen Anbietern alles stringent, schlüssig und rund sein muss. Werden abschreckende oder einladende Bilder verwendet? Stelle ich auf der Webseite den Arzt, die Krankheit oder den Patienten in den Mittelpunkt? Wird geduzt oder gesiezt? All diese Dinge müssen regelmäßig re-evaluiert werden. Wir stellen uns ständig die Frage: Wie bewegt sich die Gesellschaft und bewegen wir uns mit?

Wie kann man mittels Textkommunikation eine Bindung zum Patienten herzustellen?

Die Bindung wird aufgebaut, indem der Patient erst einmal die Online-Praxis kennenlernt und sich zurechtfindet. Dafür ist eine einheitliche Struktur wichtig. Zum Beispiel muss der Arztbrief immer gleich aufgebaut sein. Das bezieht sich sowohl auf die Abfolge der verschiedenen Komponenten als auch auf das Wording. Darüber hinaus muss die Kommunikation über einen einheitlichen Weg erfolgen. Wenn man an dem einen Tag über E-Mail kommuniziert und an einem anderen über einen Chat oder die App würde das Verwirrung stiften. Informationen müssen immer gut zugänglich sein.

Strukturen und Konstanz – sowohl in der App als auch beim restlichen Online-Auftritt – geben dem Patienten Sicherheit und Vertrauen.

Bei dermanostic gibt es die Abteilung „Patientensupport“. Wie trägt diese zur Kommunikation bei?

Der Patientensupport wird bei uns „Patient’s Happiness“ genannt und ist für die Rückfragen von Patienten zuständig. Wir haben Ärzte, Krankenschwestern und auch Medizinstudenten, die aktiv mit den Patienten Kontakt aufnehmen oder Fragen beantworten. Das ist einmal über einen sogenannten Chat möglich, der in der App vorhanden ist. Es ist aber auch telefonisch möglich, wenn wir im Zuge der Nachsorge aktiv auf die Patienten zugehen.

Die verbale Kommunikation ist noch einmal eine ganz andere Art der Kommunikation. Sie zeigt, dass das Produkt von dermanostic nicht die App ist, sondern die ärztliche Leistung. Die App ist nur ein Kommunikationsmedium.

Kann ein asynchroner Austausch das face-to-face Arzt-Patienten-Gespräch ersetzen?

Nein. Das soll es auch gar nicht. Es geht um eine Ergänzung, nicht um Ersetzen. Es geht darum, einen Arzt kontaktieren zu können, auch wenn man es einmal nicht schafft, hinzugehen. Das Entscheidende dabei ist die Möglichkeit der Auswahl, was eine gewisse Freiheit schafft. Unsere Gesellschaft ist sehr flexibel geworden und die medizinische Versorgung muss sich daran anpassen. Vor-Ort-Gespräche sind verbindlicher und die Anfahrt ist für manche Patienten vielleicht sogar eine Hürde. Das, was wir anbieten, ist unverbindlicher, anonymer, einfacher. Je nachdem, was der Patient gerade braucht, wird er das eine, das andere oder vielleicht beides nutzen. Das verbessert die Patientenversorgung und hat das Potenzial den Arzt vor Ort zu entlasten.

Johanna Vogel

Verfasst von Johanna Vogel

Johanna Vogel studiert im Master Kommunikationswissenschaft und Germanistik an der Universität Duisburg-Essen. Bei dermanostic arbeitet sie in den Bereichen Presse und Kommunikation. Sie beschäftigt sich vor allem mit den Themen Digitalisierung, eHealth und asynchroner Kommunikation und deren Bedeutung für Arzt und Patienten.