Johanna Vogel 26.01.2022
Schon vor dem Ausbruch von SARS-Covid-19 hat es in Deutschland keine flächendeckende dermatologische Versorgung gegeben. Lange Wartezeiten von mehreren Monaten auf einen Termin beim Hautarzt bzw. bei der Hautärztin waren und sind keine Seltenheit. Zudem gibt es in einigen Regionen keine Fachärzte und Fachärztinnen. Die Covid19-Pandemie hat diese Situation noch verschlechtert.
Studien bestätigen die Alltagserfahrung, dass ein Hautarzttermin häufig mit langen Wartezeiten verbunden ist. Zum Beispiel veröffentlichte die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) 2017 eine Studie, nach der die mittlere Wartezeit auf einen Hautarzttermin im Jahr 2015 bundesweit durchschnittlich 4,9 Wochen betrug. [1]
Dazu kommt die Tatsache, dass es häufig nur in größeren Städten dermatologische Abteilungen in Krankenhäusern gibt. Dieses strukturelle Problem zeigt sich auch bei Arztpraxen: In einigen zumeist ländlichen und strukturschwachen Regionen gibt es gar keine dermatologischen Praxen. Dieses strukturelle Problem hat auch schon vor der Corona-Pandemie die bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung in einigen Gebieten verhindert.
Die Corona-Pandemie ist noch längst nicht vorüber und hält das Gesundheitswesen weiterhin in Atem. Gerade durch die anfänglich starken gesellschaftlichen Einschränkungen, wie die verordneten Sicherheitsabstände, die Personenbeschränkung in Innenräumen und die Beschränkung sozialer Kontakte, wurde die Medizinbranche stark beeinflusst.
Viele Menschen trauten sich nicht mehr zum Hautarzt zu gehen, aus Angst davor, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren. Hierdurch wurden präventive Maßnahmen wie das Hautkrebs-Screening vernachlässigt. Das belegt auch eine Studie der AOK, demnach waren für das Jahr 2020 starke Rückschläge (minus 19,8 Prozent gegenüber 2019) zu bemerken. [2]
Das Auslassen von Vorsorgeuntersuchungen kann zu verspäteten Hautkrebsdiagnosen führen. Wenn jedoch ein Malignes Melanom (Schwarzer Hautkrebs) sehr spät entdeckt wird, ist die Behandlung deutlich schwieriger.
Die Pandemie-Situation hat teilweise regional oder sogar landesweit dazu geführt, dass einige Krankenhäuser und Ärzte nur noch Notfallpatienten aufgenommen haben. Die Folge sind noch längere Wartezeiten für Patienten, besonders für diejenigen mit dermatologischen Erkrankungen. [3]
Die eben beschriebenen Zustände im Gesundheitswesen führten zu einem Erstarken der telemedizinischen Angebote und zu einer Zunahme der Nutzung telemedizinischer Anwendungen. [4] So sagt Prof. Dr. David Matusiewicz, Dekan des Hochschulbereichs Gesundheit & Soziales an der FOM, in der Fachzeitschrift „Karger Kompass“[5]:
Obwohl die Telemedizin schon vor der Pandemie bekannt war, wurde sie in Deutschland bis dahin noch nicht viel angewandt. Zwar hat der 121. Deutsche Ärztetag 2018 durch eine Lockerung des berufsrechtlichen Verbots der ausschließlichen Fernbehandlung schon den Weg für die Telemedizin geebnet, aufgrund des föderalistischen Systems in Deutschland hat sich die Umsetzung jedoch verzögert.
Nach der Empfehlung seitens der Politik und Gesundheitsämtern, Arztkonsultationen möglichst zu vermeiden, hob die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) im Rahmen des ersten Lockdowns während der Covid-19-Pandemie die Einschränkungen der telemedizinischen Behandlungen in der Dermatologie vollständig auf.
Allerdings ist die Vergütung von telemedizinischen Angeboten in Deutschland bisher noch nicht einheitlich geregelt. Während in der Schweiz teledermatologische Behandlungen bereits ein fester Bestandteil des Gesundheitssystems sind, befindet sich Deutschland diesbezüglich noch in der Anfangsphase.
Gerade die Teledermatologie eignet sich aufgrund ihrer bildbasierten Ausrichtung sehr gut für telemedizinische Verfahren. Einer Studie aus 2021 zu Folge, gibt es bei Patienten einen großen Bedarf in diesem Bereich. [7]
Dabei ist zu erwähnen, dass es unterschiedliche Arten der teledermatologischen Behandlung gibt: Die eine ist die Videokonsultation, bei der Hautarzt-Sprechstunden über Videosprechstunde abgehalten werden können. Diese Art funktioniert also synchron und hat während Corona stark an Popularität gewonnen.
Die andere ist die Store-and-forward-Methode, auch als Bild-Text-Verfahren bekannt. Mithilfe dieser asynchronen Behandlung über die Telemedizin können hochauflösende Bilder der betroffenen Hautstelle aufgenommen und an den Arzt gesendet werden. Letztere Möglichkeit hat den Vorteil der örtlichen und zeitlichen Unabhängigkeit und ermöglicht so für den Arzt als auch für den Patienten eine gewisse Flexibilität.
Mehrere internationale Studien, z.B. aus Italien [8] oder den USA [9], berichten von dem Erfolg teledermatologischer Anwendungen während der Corona-Pandemie. In Skandinavien wurde die Nützlichkeit und Effizienz gerade für ländliche Regionen sogar schon vor der Pandemie bestätigt. [10]
Aber auch in Deutschland wird die Teledermatologie immer populärer. So zeigte das im Jahr 2018 gestartete Pilotprojekt „Online-Hautarzt – AppDoc“ der Heidelberger Universität, dass in über 90% der eingereichten dermatologischen Fälle eine Ferndiagnose gestellt werden konnte. Zudem ergab eine externe wissenschaftliche Evaluation, dass in diesem Modellprojekt „die Reduktion von räumlichen und zeitlichen Barrieren einer hautfachärztlichen Begutachtung sowie die teledermatologische Triage bislang gelungen sind.“ [11]
Auch der Berufsverband der deutschen Dermatologen (BVDD) erkennt das Potenzial der Teledermatologie, weswegen er eine Kooperation mit dem Schweizer Anbieter Online-Doctor begonnen hat. So sagte der Präsident des Berufsverbandes der deutschen Dermatologen Dr. Klaus Störmer 2020 in einem Interview in dem Fachmagazin Der Deutsche Dermatologe: „Die Arbeitswelten haben sich verändert und wir brauchen die Digitalisierung, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden“.[12]
Diese Ergebnisse können auch von der Online-Hautarztpraxis dermanostic bestätigt werden. Bei dem 2019 gegründeten Unternehmen reicht der Patient drei Fotos von seiner Hautveränderung per App oder Web-App ein, füllt einen kurzen Fragebogen aus und erhält innerhalb von 24 Stunden eine Diagnose, eine Therapieempfehlung und ein Rezept. Eine interne Studie nach der Behandlung von 25.000 Patienten hat ergeben, dass 92% der Patienten von dermanostic keine weitere persönliche Arztkonsultation benötigten.
Bei den übrigen 8% der Patienten waren noch Nachuntersuchungen nötig, um eine gesicherte Diagnose stellen zu können. Dazu gehörten weiterführenden Laboruntersuchungen, wie Gewebeentnahmen und Blutuntersuchungen oder es war gar ein chirurgisch-diagnostisches Verfahren notwendig.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die teledermatologische Versorgung durch die Corona-Pandemie deutlich an Bekanntheit und Popularität gewonnen hat – sowohl bei der Ärzteschaft als auch bei Patienten.
Auch über die Zeit der Corona-Pandemie hinaus ist die Teledermatologie eine sinnvolle Ergänzung zur Untersuchung beim niedergelassenen Hautarzt und stellt somit eine Bereicherung der dermatologischen Versorgung für das Gesundheitssystem dar.
Dieser Artikel ist in Anlehnung an den 2020 erschienenen Artikel „Digitalisierung in der Medizin während der COVID-19-Pandemie – Möglichkeiten und Grenzen der Teledermatologie“ (Kompass Dermatologie 8 (4), 150–152.) von Dr. med. Estefanía Lang, Dr. med. Alice Martin und Univ.-Prof. Dr. Jorge Frank entstanden.
*In diesem Text haben wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Hiermit möchten wir ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir uns damit gleichermaßen auf männliche, weibliche und andere Geschlechteridentitäten beziehen.
Verfasst von Johanna Vogel
Johanna Vogel studiert im Master Kommunikationswissenschaft und Germanistik an der Universität Duisburg-Essen. Bei dermanostic arbeitet sie in den Bereichen Presse und Kommunikation. Sie beschäftigt sich vor allem mit den Themen Digitalisierung, eHealth und asynchroner Kommunikation und deren Bedeutung für Arzt und Patienten.