Interview

Welche Kleidung sollte man bei Neurodermitis tragen?

Wolle, Seide oder Polyester?

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Madeleine Jandek 26.04.2022

Wolle, Seide oder Polyester? Nicht jeder Stoff sollte bei Neurodermitis (atopisches Ekzem) getragen werden. Denn die Haut ist besonders empfindlich und braucht neben einer richtigen Pflege auch die richtige Kleidung.

Dr. Alice Martin, Mitgründerin von dermanostic und Hautfachärztin in Weiterbildung, wird für Dich die verschiedensten Textilien genauer unter die Lupe nehmen und Dir erklären, welche Stoffe Du lieber meiden solltest.

FAQ:  Dr. Alice Martin, warum ist die Haut bei Neurodermitiker*innen eigentlich so empfindlich? Und wie sieht die Haut bei diesen Patient*innen aus?

Dr. Alice Martin:  Die Haut von Neurodermitiker*innen ist besonders sensibel und reizbar. Beim atopischen Ekzem ist die Hautbarriere gestört, was zu einer Einschränkung der Hautschutzfunktion führt. Die Haut ist meist sehr trocken, gereizt und besonders empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen. Aber auch Rötungen mit begleitenden Schmerzen sind vor allem bei einem akuten Ekzem nicht selten.

Es ist gar nicht so einfach, die Erkrankung in einem Satz zusammenzufassen. Mehrere Aspekte kommen meist zusammen, die letztendlich ein atopisches Ekzem auslösen. Neben der gestörten Fettproduktion in der obersten Hautschicht werden im Körper immer wieder Entzündungsstoffe ausgeschüttet, die zu einer chronischen Entzündung der Haut führen. Aber auch Allergien und eine genetische Veranlagung sind nennenswerte Faktoren, die ebenso eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Hautausschlags spielen können. Falls Du betroffen bist und Dir nun denkst, dass bis jetzt das wohl wichtigste Erkennungszeichen noch nicht erwähnt wurde? Richtig: Der ständige Juckreiz zählt wohl zu den lästigsten Merkmalen dieser Erkrankung. Und bestimmte Stoffe haben eine besonders starke triggernde Wirkung. Aber genau deshalb habe ich heute ein paar Tipps mitgebracht.

FAQ: Worauf sollten die Betroffenen beim Kauf neuer Kleidung achten?

Dr. Alice Martin: Durch geeignete Kleidung können Beschwerden oftmals stark gemindert werden, was die Lebensqualität im Alltag deutlich erhöht. Die richtige Kleidung kann also eine super Ergänzung zu Pflegecremes und Medikamenten sein. Es gilt folgende wichtige Aspekte zu beachten: Die Stoffe sollten auf der Haut nicht reiben oder kratzen (mechanische Reibung). Das könnte beispielsweise durch Wolle ausgelöst werden. Die kratzigen und grobgewebten Fasern könnten die Haut reizen und schlimmstenfalls den Juckreiz und die Rötungen verstärken. Des Weiteren kann auch enge Kleidung, bspw. Unterhosen zu Reibungen führen. Auch wenn man es nicht allzu gerne hört: Baumwollunterwäsche ohne Nähte sind hier die bessere Variante (und sie sind doch eigentlich auch viel bequemer). Einige Hersteller setzen die Nähe nach außen, zum Schutz der Haut (z.B. Produkte von ChillnFeel). Genauso gut sollte man auf Etiketten achten. Denn auch sie können zu einem lästigen Kratzen führen. Entferne diese am besten vor dem Tragen. Achte beim Kauf neuer Kleidungsstücke darauf, dass die Nähte und Ränder nicht reiben und gut verarbeitet sind. Kleiner Tipp: Reibe die Naht oder den Stoff einige Male auf Deinem Unterarm. Beobachte, wie sich der Stoff anfühlt und ob Deine Haut sich mit der Zeit rötet. Wenn das nicht der Fall sein sollte, ist das schonmal ein gutes Zeichen.

Die Hautfachärzt*innen bei dermanostic empfehlen, weite Kleidung zu tragen, die nicht direkt aufliegt und sich zusätzlich sanft und weich auf der Haut anfühlt. Das Motto lautet: Je lockerer, desto besser!

FAQ: Wie sieht es mit Waschmitteln, Weichspülern oder Färbemitteln aus?

Dr. Alice Martin: Ein guter Aspekt! Denn diese chemischen Substanzen können zu Irritationen auf der Haut führen. Diese verbergen sich oft in vielen Produkten, ohne dass man es direkt mitbekommt. Die meisten können sich wohl denken, dass viele Waschmittel oder Weichmacher einige Stoffe enthalten, die reizend für unsere Haut sein können. Eher weniger vermutet man dies wohl bei normalen Baumwoll-Shirts. Richtig gehört: Denn hier werden Naturfasern oftmals noch mit chemischen Substanzen verarbeitet, die unsere Haut irritieren können. Es empfiehlt sich also, auf diverse Prüfsiegel zu achten. Ein gutes Beispiel ist da der „Öko-Tex-Standard 100“. Dieses Siegel garantiert, dass der Stoff zu 100% aus Naturfasern besteht.

Grundsätzlich sollten alle neuen Kleidungsstücke vor dem Tragen zunächst gewaschen werden, da hierdurch allergische Reaktionen vermieden werden können. Falls auch Du einen unklaren Hautbefund hast nach dem Tragen deiner Kleidung, kannst Du Dich gern an unsere Hautfachärzt*innen aus der digitalen Hautarztpraxis dermanostic per App wenden. Unser Team aus Expert*innen kann Dir bei der Diagnosestellung helfen und erstellt Dir einen ausführlichen Arztbrief.

FAQ: Welche Stoffe sollte man nun konkret meiden und welche bekommen ein “Go“ von Dir?

Dr. Alice Martin: Besonders gut geeignet sind Stoffe aus Baumwolle, sowie andere Stoffe aus natürlichen Fasern. Dazu zählt Leinen, Seide, aber auch Viskose. Aber Achtung! Wie schon oben erwähnt können auch farbige Kleidungsstücke chemisch behandelt worden sein. Achte daher auf eine hautfreundliche Färbung. Achte außerdem auf luftige und leichte Kleidung zu tragen, um direkten Kontakt mit der Haut zu vermeiden. Wichtig ist auch, dass die Stoffe atmungsaktiv sind, damit sich keine hohen Temperaturen zwischen Haut und Kleidung entwickeln. Eine warme und feuchte Umgebung würde die Haut reizen und Rötungen, sowie Juckreiz verstärken. Gute Ergebnisse wurden vor allem mit glatten Materialien erzielt. Und hier nun ein Geheimtipp von mir: Spezielle Neurodermitis-Kleidung. Mittlerweile gibt es Stoffe, die besonders gut für Neurodermitiker*innen geeignet sind:

  • Lyocell mit Zinkoxid darf bei dieser Auflistung nicht fehlen. Denn es handelt sich dabei um Zellulosefasern, die in Kombination mit dem fein eingearbeiteten Zinkoxid sanft auf der Haut aufliegen und gleichzeitig eine wundheilungsfördernde und entzündungshemmende Wirkung haben. Einen Versuch ist dieses Produkt definitiv wert.
  • Dass Kleidungsstücke Silber enthalten, mag auf den ersten Blick ein wenig komisch klingen. Man kann jedoch von der bakterienhemmenden Wirkung des fein eingearbeiteten Silbers profitieren. Bei Neurodermitiker*innen kommt auf der Haut besonders häufig der Keim namens Staphylokokkus aureus vor. Silber kann seine Wirkung entfalten, indem es gegen diesen Hautkeim wirkt.

FAQ: Polyester wird vor allem bei der Produktion von Sportkleidung verwendet. Ist diese atmungsaktive Kleidung für Neurodermitiker*innen ungeeignet?

Dr. Alice Martin: Obwohl Polyester atmungsaktiv sein kann und dadurch ein beliebtes Textil bei der Herstellung von Sportkleidung ist, handelt es sich hierbei um ein Produkt aus synthetischen Fasern. Dadurch erhöht sich das Risiko, dass die Haut empfindlich auf den Stoff reagiert und erneut Rötungen, Trockenheit und Juckreiz auftreten. Beim Kauf von funktioneller Sportkleidung sollte darauf geachtet werden, dass die Stoffe atmungsaktiv sind oder wie oben erwähnt Silberbestandteile enthalten. So kann der Schweiß schnell entfliehen, und die Haut bleibt kühl und trocken. Hier hilft es, die Kleidung im Vergleich auszuprobieren und herauszufinden, was Deiner Haut guttut.

FAQ: Gibt es noch einen Tipp für besonders heiße Tage?

Dr. Alice Martin: Ich empfehle den Zwiebellook. Eine gute Methode nicht nur an warmen, sondern auch an eher kühleren Tagen. Sobald man merkt, dass man ein wenig zu warm angezogen sein sollte, kann man einfach eine Kleidungsschicht ausziehen. So verhindert man starkes Schwitzen und einen Wärmestau unter der Kleidung. Vielleicht ist es auch für Dich die bessere Wahl!

FAQ: Wir hoffen, dass Du mit unseren Tipps in Zukunft Deinen Alltag beschwerdefreier meistern kannst. Neben der Kleidung ist die richtige Pflege von ebenso großer Bedeutung. Falls auch Du einen unklaren Hautbefund hast, kannst Du Dich gern an unsere Hautfachärzt*innen aus der digitalen Hautarztpraxis dermanostic per App wenden. Unser Team aus Expert*innen kann Dir bei der Diagnosestellung helfen und erstellt Dir einen ausführlichen Arztbrief. 

Madeleine Jandek

Verfasst von Madeleine Jandek

Madeleine Jandek ist bei dermanostic im Kommunikations- und Redaktionsteam für den medizinischen Support mitverantwortlich. Sie schließt bald den klinischen Teil ihres Humanmedizinstudiums an der Universität Ulm ab und möchte im Anschluss die Facharztausbildung zur Dermatologin beginnen. Bei dermanostic schreibt sie unter anderem Artikel über alle Themen rund um Haare, Haut und Nägel.