Bei welchen Inhaltsstoffen die Sorgen berechtigt sind – und bei welchen nicht
Lisa Henkel 08.11.2022
Immer wieder kursieren Mythen, Gerüchte und Halbwissen über Inhaltsstoffe in Kosmetikprodukten und deren schädliche, gefährliche oder gar krebserregende Wirkung. Dahinter stecken nicht selten überholte und widerlegte Studien. Doch das Internet vergisst bekanntlich nie … Zeit also, mit einigen hartnäckigen Mythen aufzuräumen.
Wir können uns in Deutschland und Europa glücklich schätzen, denn: Den strengen Richtlinien der EU-Verordnung für Kosmetikprodukte haben wir es zu verdanken, dass jegliche Gesundheitsrisiken strengstens unter die Lupe genommen und auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die europäischen Richtlinien gelten dabei als eine der strengsten auf der Welt. In den USA und in vielen asiatischen Ländern gelten im Gegensatz dazu weitaus lockerere Richtlinien, die Inhaltsstoffe in höheren Konzentrationen erlauben und/oder geringere Sicherheits- und Kontrollmaßnahmen vorsehen.
Die EU-Kosmetikverordnung (EG) und der Verbraucherschutz besagen u. a., dass …
Aluminium(-salze) kommen in Deodorantien und Antitranspirantien zum Einsatz, weil sie sehr gut und effektiv die Schweißproduktion mindern. Am verbreitetsten ist Aluminium in Form von Aluminiumchlorohydrat, das gemäß dem EU-Kosmetikrecht in der Liste der Inhaltsstoffe zu finden ist. Bereits seit vielen Jahren kursieren Gerüchte und Informationen, dass Aluminium durch Aufnahme in den Körper in der Lage sei, Krebs (speziell Brustkrebs) zu verursachen. Mit Verbreitung der Gerüchte und Sorgen von Verbraucher*innen wurden 2015 umfangreiche Untersuchungen und Studien initiiert, um die Auswirkungen von Aluminium auf den Körper zu untersuchen. Die Ergebnisse der neuen Studien aus 2016 und 2019 lieferten schließlich die benötigten Daten, um Aussagen über die Sicherheit von Aluminium in Kosmetikprodukten treffen zu können. Ältere Studien, die aufgrund uneindeutiger Ergebnisse lange Zeit zu Sorgen und Angst von Verbraucher*innen geführt hatten, konnten aus verschiedenen Gründen widerlegt oder entkräftet werden, darunter: Qualitätsmangel wie zu geringe Stichprobengröße oder Probandenzahl, Applikation bzw. Verwendung weitaus größerer Mengen als in Kosmetikprodukten, Einmalgabe statt täglicher Applikation, Versuche an Ratten, … Grundsätzlich sei erwähnt, dass wir Aluminium nicht nur über Kosmetikprodukte, sondern – und das in weitaus größerem Maße – über die Ernährung oder aluminiumhaltige Gebrauchsgegenstände aufnehmen [1].
Fazit: Es gibt nach aktuellem Stand der Wissenschaft keine Hinweise dafür, dass Aluminium in Deodorantien oder Antitranspirantien gesundheitlich bedenklich oder krebserregend ist.
„Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch den regelmäßigen Gebrauch von ACH-haltigen Antitranspirantien sind nach gegenwärtigem wissenschaftlichen Kenntnisstand unwahrscheinlich“ ([1] BfR, 2020, S. 3, Kapitel 2.0 Ergebnis).
„Für eine kausale Verbindung zwischen Aluminium und der Alzheimer-Demenz oder Brustkrebs gibt es hingegen keine belastbare Datengrundlage (Drexler 2018; Klotz et al. 2017)“ ([1] BfR, 2020, S. 4, Kapitel 3.1.2 Gefährdungspotenzial).
Mineralöle sind in Pflegeprodukten wie Bodylotions, Cremes, Lippenbalsam u. v. m. zu finden. Besonders in Kritik stehen spezielle Mineralöl-Verbindungen mit dem Namen „Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons“, kurz MOAH, weil diese potenziell krebserregende chemische Verbindungen enthalten können. Aus diesem Grund bestehen jedoch bereits seit einigen Jahren strenge Vorschriften für den Einsatz von Mineralölen in Kosmetikprodukten. Jedes Mineralöl muss, bevor es als Inhaltsstoff verwendet werden darf, bestimmte Tests durchlaufen. So wird sichergestellt, dass nur reine und gesundheitlich unbedenkliche Mineralöle in Kosmetika gelangen. Darüber hinaus ist jedoch bekannt, dass Mineralöle bei Kontakt mit der Haut nur kaum bzw. in sehr geringen Mengen überhaupt in den Körper aufgenommen werden. Für Lippenpflegeprodukte, die in geringen Mengen auch verschluckt werden können, gelten noch weitere Vorschriften. Unter diesen besteht nach aktuellem wissenschaftlichen Stand keine gesundheitliche Gefährdung [2].
Fazit: Es gibt nach aktuellem Stand der Wissenschaft keine Hinweise dafür, dass Mineralöle in Kosmetikprodukten gesundheitlich bedenklich sind.
„Nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand sind aus Sicht des BfR gesundheitliche Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher bei Anwendung kosmetischer Mittel auf der Haut nicht zu erwarten“ ([2] BfR, 2018, S. 1).
„Auf Basis der vorliegenden Daten und unter Berücksichtigung der klinischen Erfahrungen und fehlenden epidemiologischen Hinweise ist derzeit kein gesundheitliches Risiko in Folge einer dermalen Exposition gegenüber mineralölhaltigen kosmetischen Mitteln erkennbar" ([2] BfR, 2018, S. 3, Kapitel 2.0 Ergebnis).
„Bei Einhaltung der Empfehlung von Cosmetics Europe [...] sind keine gesundheitlichen Effekte durch die orale Aufnahme zu erwarten“ ([2] BfR, 2018, S. 3, Kapitel 2.0 Ergebnis).
Titandioxid kommt als weißes Farbpigment in Kosmetikprodukten wie Zahnpasta, als UV-Filter in Sonnencremes und in Tattoowiermitteln zum Einsatz. Eine viel größere Rolle – auch mengenmäßig – spielt Titandioxid jedoch in verschiedenen Industriezweigen (z.B. bei der Herstellung von Farben und Lacken) oder als Lebensmittelzusatzstoff unter der Bezeichnung E171. In den letzten Jahren kursierten allerdings zunehmend Informationen, dass die Aufnahme oder das Einatmen von Titandioxid schädlich für die Lunge sein könne. Problematisch ist in diesem Fall speziell die Nanoform von Titandioxid, also Nanopartikel. In Tierversuchen an Ratten waren diese Nanopartikel in der Lage, Entzündungen der Lunge zu verursachen. Das gilt jedoch nur für die inhalative Aufnahme, sprich, wenn Nanopartikel eingeatmet werden. Über die Haut, beispielsweise als Bestandteil von Sonnencremes, wird Titandioxid nicht in den Körper aufgenommen. Deshalb ist Titandioxid nach wie vor als UV-Filter in Sonnencremes vorhanden. Lediglich in Applikationsformen oder Produkten, die potenziell eingeatmet werden können (z.B. Sonnenschutzsprays in Aerosolform), ist die Nanoform von Titandioxid verboten. Titandioxid in Pigmentform wiederum hat sich als unbedenklich erwiesen [3].
Fazit: Es gibt nach aktuellem Stand der Wissenschaft keine Hinweise dafür, dass Titandioxid in Kosmetikprodukten gesundheitlich bedenklich ist.
„Dermal, also über die Haut, wird Titandioxid über Hautpflegeprodukte nicht aufgenommen. Die Aufnahme über die Haut hat das Scientific Committee on Consumer Safety [...] nach derzeitigem Stand des Wissens als unbedenklich bei Auftragen sowohl auf intakte als auch Sonnenbrand-geschädigte Haut angesehen“ ([3] BfR, 2021, S. 7).
In der Tat gibt es einige Inhaltsstoffe, über deren schädliches Potenzial die Medizin einig ist. Die Rede ist von (Kontakt-)Allergenen, die bei Kontakt mit der Haut eine allergische Reaktion oder ein allergisches Ekzem hervorrufen können.
Duftstoffe, die in Kosmetikprodukten weit verbreitet sind, gehören zu den häufigsten Allergenen. Beim Auftragen von Duftstoffmischungen auf die Haut, sogenannten Epikutantests, wurde immerhin bei knapp 10 % der Erwachsenen eine Hautreaktion dokumentiert [4]. Dabei muss berücksichtigt werden, dass eine positive Hautreaktion nicht automatisch dem Beweis einer Duftstoffallergie entspricht und Testungen auf einzelne Inhaltsstoffe weitaus seltener positiv ausfallen. Hautirritationen oder -reizungen sind dennoch so häufig, weil viele Kosmetikprodukte gleich mehrere – manchmal sogar eine ganze Reihe von – Duftstoffen (neben weiteren potenziellen Allergenen wie ätherischen Ölen) enthalten. Auch wenn schwere oder bedrohliche allergische Reaktionen sehr selten sind, stellt das allergische Kontaktekzem daher dennoch eine häufige Diagnose in unserer digitalen Hautarztpraxis dar. Die Beschwerden können von gereizter, irritierter Haut mit Rötungen, Juckreiz oder Pusteln bis hin zu Schwellungen und Immunreaktionen reichen. Eine ärztliche Behandlung ist unumgänglich, wenn die Hautreaktion nicht zügig von selbst abklingt.
In Testungen zeigt fast jede*r zehnte Erwachsene eine Hautreaktion auf Duftstoffmixe [4]. Dennoch ist es gesetzlich nicht vorgeschrieben/verpflichtend, Duftstoffe unter den Inhaltsstoffen eines Kosmetikproduktes aufzulisten. Nur für 26 Duftstoffe, die besonders häufig Allergien hervorrufen, wurde im Jahr 2005 eine Kennzeichnungspflicht eingeführt – doch auch die gilt erst ab bestimmten Mindestkonzentrationen. Neben den 26 kennzeichnungspflichtigen Duftstoffen hat das European Scientific Committee on Consumer Safety (deutsch: Wissenschaftlicher Ausschuss Verbrauchersicherheit) jedoch noch ganze 56 weitere Duftstoffe als Kontaktallergene aufgelistet. Für diese gelten bisher jedoch keine besonderen Vorschriften [5].
Zu den 26 kennzeichnungspflichtigen Duftstoffen mit hohem Allergiepotenzial gehören u. a.:
Verfasst von Lisa Henkel