Syphilis erkennen, behandeln, vorbeugen – ein Überblick.
Die oft unterschätzte Geschlechtskrankheit im Überblick
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Dr. Alice Martin 07.10.2025
Syphilis (Lues) ist eine sexuell übertragbare Infektion (STI), die durch das Bakterium Treponema pallidum verursacht wird. Während die Erkrankung im 20. Jahrhundert durch Penicillin weitgehend unter Kontrolle gebracht wurde, ist seit den 2000er-Jahren weltweit wieder ein Anstieg der Fälle zu beobachten – insbesondere bei Männern, die Sex mit Männern haben, aber auch bei heterosexuellen Paaren. In Deutschland zeigt das Robert Koch-Institut seit 2010 einen kontinuierlichen Zuwachs der gemeldeten Infektionen.
Krankheitsverlauf und Symptome
Der Verlauf der Syphilis wird in vier Stadien unterteilt. Zwischen den Stadien können längere beschwerdefreie Phasen liegen, in denen die Erkrankung jedoch weiter im Körper fortschreitet. Ansteckend sind vor allem das Primär- und Sekundärstadium. Im tertiären Stadium ist Syphilis meist nicht mehr übertragbar, dennoch bleibt ein geringes Ansteckungsrisiko bestehen, weshalb Vorsicht geboten ist.
Syphilis zeigt sich oft zuerst durch kleine, meist schmerzlose Wunden an den Genitalien, am Anus (Po), im Mund oder an den Lippen. Wenn Du solche Veränderungen bemerkst, ist es wichtig, nicht abzuwarten, denn es gibt einfache Möglichkeiten, Klarheit zu bekommen.
1. Primäre Syphilis
Kurz nach der Infektion bildet sich an der Eintrittsstelle der Bakterien ein schmerzloses, hartes Knötchen, das sich zu einem flachen Geschwür entwickelt, dem sogenannten Primäraffekt. Typische Stellen sind Penis, Hoden, Schamlippen, Scheide, Anus oder Mund.
2. Sekundäre Syphilis
Nach einigen Wochen bis Monaten breiten sich die Bakterien über den Blutkreislauf im Körper aus. Es kommt zu unspezifischen Beschwerden wie:
- Hautausschlag an Oberkörper, Handflächen und Fußsohlen, zunächst trocken, später nässend und wiederkehrend
- Geschwollene Lymphknoten
- Fieber, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen
- Stellenweiser Haarausfall
- Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust
- Entzündungen verschiedener Organe
3. Latenzphase
Die Infektion ist weiterhin im Körper vorhanden, zeigt jedoch keine Symptome, und die Betroffenen fühlen sich gesund. Die Latenz wird in eine frühe (bis 1 Jahr nach Infektion, noch ansteckend) und eine späte Form (ab 1 Jahr, kaum ansteckend) unterteilt.
4. Tertiäre Syphilis
Unbehandelt kann die Krankheit nach Jahren zu schweren Organschäden führen, unter anderem:
- Gummen: gummiartig verhärtete Knoten in Haut, Knochen oder Organen
- Herz-Kreislauf-Schäden: z. B. Aortenaneurysmen oder Herzklappenfehler
- Neurosyphilis: Lähmungen, Demenz, Koordinationsstörungen
Diagnosestellung
Eine zeitnahe Blutuntersuchung zeigt, ob der Körper Antikörper gegen den Erreger Treponema pallidum gebildet hat. Eine Untersuchung der Wundflüssigkeit wird nur zusätzlich durchgeführt, wenn ein frisches Geschwür (Schanker) vorliegt oder wenn ein direkter Erregernachweis besonders wichtig ist, z. B. zur sofortigen Bestätigung der Diagnose.
Eine zeitnahe Blutuntersuchung zeigt bei Verdacht, ob der Körper Antikörper gegen den Erreger Treponema pallidum gebildet hat. Eine Untersuchung der Wundflüssigkeit wird nur zusätzlich durchgeführt, wenn ein frisches Geschwür (Schanker) vorliegt oder wenn ein direkter Erregernachweis besonders wichtig ist, z. B. zur sofortigen Bestätigung der Diagnose.
Therapie
Die Behandlung dauert länger als bei anderen Geschlechtskrankheiten, da Treponema pallidum tief im Gewebe sitzt und Zeit braucht, um vollständig abgetötet zu werden. In der Regel dauert sie mindestens zehn Tage, in Spätstadien sogar mehrere Wochen.
Syphilis lässt sich sehr gut mit Antibiotika behandeln, insbesondere wenn sie frühzeitig erkannt wird.
Die Behandlung unterscheidet sich dabei je nach Krankheitsstadium, Dauer der Infektion und eventuellen Komplikationen.
Frühstadien der Syphilis
Für die Behandlung der frühen Stadien wird meist Depot-Penicillin in den Gesäßmuskel gespritzt. Der Wirkstoff verteilt sich langsam im Körper und wirkt mindestens zehn Tage, sodass die Bakterien zuverlässig behandelt werden. Bei einer Penicillinallergie sind alternativ Doxycyclin-Tabletten für zwei Wochen oder Ceftriaxon-Infusionen für zehn Tage möglich.
Kontrolluntersuchungen während und nach der Behandlung
Um den Behandlungserfolg zu prüfen, wird das Blut zunächst vier Wochen nach Therapieende untersucht. Es erfolgen insgesamt vier Kontrolluntersuchungen im Abstand von jeweils drei Monaten, um sicherzustellen, dass die Syphilis vollständig ausgeheilt ist und nicht erneut aktiv wird.
Begleittherapie mit Kortison
Zu Beginn der Behandlung sterben viele Syphilis-Erreger gleichzeitig ab, was zu Reaktionen wie Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen oder verstärktem Hautausschlag führen kann. Um diese Begleiterscheinungen zu mildern, wird meist eine Stunde vor der Antibiotikatherapie Kortison in Tabletten- oder Spritzenform verabreicht.
Behandlung der Spätstadien
In Deutschland ist ein unbehandeltes Spätstadium selten, da Syphilis in der Regel früh erkannt wird. Auch in der Spätphase lässt sich die Infektion stoppen und weitere Schäden verhindern. Meist kommen Penicillin-Spritzen im Wochenabstand zum Einsatz; bei Nervenschäden erfolgt Penicillin über 10–14 Tage direkt in die Blutbahn. Alternativ sind Doxycyclin-Tabletten oder Ceftriaxon-Infusionen möglich.
Behandlung in der Schwangerschaft und bei Säuglingen
Penicillin ist auch in der Schwangerschaft und bei Säuglingen das Mittel der Wahl. Doxycyclin sollte hier nicht angewendet werden, da es für ungeborene Kinder und Kleinkinder schädlich ist. Ceftriaxon-Infusionen sind zwar möglich, können jedoch ebenfalls allergische Reaktionen hervorrufen.
Bei Verdacht auf eine Penicillin-Allergie kann eine Desensibilisierung erfolgen, bei der der Körper unter ärztlicher Aufsicht langsam an Penicillin gewöhnt wird, sodass eine sichere Behandlung möglich ist.
Verhalten während der Behandlung
Während der Behandlung soll auf Geschlechtsverkehr verzichtet werden, da Syphilis sehr leicht übertragbar ist. Auch wenn die Symptome schnell verschwinden, besteht weiterhin Ansteckungsgefahr. Deshalb ist es wichtig, Partner:innen ehrlich zu informieren und sie zu ermutigen, sich ebenfalls testen und gegebenenfalls behandeln zu lassen.
Übertragbarkeit
- Direkter sexueller Kontakt
Treponema pallidum dringt über winzige Verletzungen der Haut oder Schleimhäute in den Körper ein. Beim Geschlechtsverkehr mit einer infizierten Person kommt es in etwa 30 % der Fälle zu einer Ansteckung. - Kontakt- oder Schmierinfektionen
Eine Übertragung ist auch möglich, wenn man mit dem Inhalt von Syphilis-Geschwüren oder nässenden Hautausschlägen in Berührung kommt. Besonders riskant sind ungeschützter Vaginal-, Anal- und Oralsex sowie die gemeinsame Nutzung von Sexspielzeug ohne Kondom. - Küssen
In seltenen Fällen kann auch Küssen zu einer Infektion führen. Allerdings nur, wenn beide Personen offene Stellen oder Geschwüre im Mundbereich haben. - Medizinische Übertragungen
Infektionen durch kontaminierte Nadeln oder medizinische Instrumente sind sehr selten. Bluttransfusionen gelten in Deutschland seit über 20 Jahren als sicher. - Von Mutter auf Kind
Eine diaplazentare Übertragung während der Schwangerschaft ist möglich, dabei kann Syphilis von der Mutter auf das ungeborene Kind über die Plazenta weitergegeben werden, was als kongenitale Syphilis bezeichnet wird.
Kondome können das Risiko einer Ansteckung bei sexuellem Kontakt deutlich verringern, bieten jedoch keinen vollständigen Schutz, besonders bei wechselnden Sexualpartner:innen.
Deshalb sind regelmäßige Untersuchungen, offene Kommunikation mit Partner:innen und eine frühzeitige Behandlung entscheidend, um sich selbst und andere zu schützen.
In Deutschland ist Syphilis eine meldepflichtige Geschlechtskrankheit. Ärzt:innen und Laborleiter:innen müssen die Diagnose innerhalb von zwei Wochen an das zuständige Gesundheitsamt und das Robert-Koch-Institut (RKI) melden. Diese Regelung dient der Überwachung und Eindämmung der Verbreitung der Infektion. Eine frühzeitige Untersuchung und konsequente Behandlung schützen Dich und andere gleichermaßen.
Verfasst von Dr. Alice Martin
